Unternehmenskultur: „Der menschliche Faktor“

Detailaufnahme eines Händeschüttelns in Büroumgebung
Tägliche Normalität? – respektvolles Miteinander im Unternehmen.

Es ist Teil des amerikanischen Mythos, dass das Land auf harter Arbeit aufgebaut wurde und Fortschritt Kraft kostet. Es ist bei vielen Arbeitnehmern die Regel, die wenigen Urlaubstage nicht zu nutzen, das Wochenende im Office zu verbringen und zuhause noch E-Mails zu beantworten. Doch was in den letzten Wochen die New York Times über die Unternehmenskultur des global agierenden Versandhandelsriesen Amazon enthüllte, sorgte weltweit für Empörung. Reporter sprachen nach eigenen Angaben mit mehr als 100 Amazon-Mitarbeitern und berichteten unter anderem von Fällen, in denen Menschen nach Familientragödien oder Gesundheitsproblemen ohne Mitgefühl behandelt worden seien. „Ich habe fast jeden, mit dem ich arbeitete, am Schreibtisch weinen gesehen“, so ein früherer Mitarbeiter. Auch wenn Gründer Jeff Bezos umgehend um Schadensbegrenzung bemüht war, die Unternehmenskultur und das Betriebsklima des Unternehmens standen – wieder einmal – am Pranger.

Hierzulande wird in der öffentlichen Debatte das Thema Unternehmenskultur häufig auf Programme zur Mitarbeiterförderung, Work-Life-Balance oder betriebliches Gesundheitsmanagement reduziert. Sie suggerieren, die Unternehmen mit den meisten und aufwendigsten Programmen haben auch die „beste“ Unternehmenskultur.

Dabei sind, wie Studien zeigen, die einfachsten Formen des zwischenmenschlichen Umgangs für eine gelungene Unternehmenskultur mit die wichtigsten. Doch allein das gegenseitige Grüßen auf den Bürofluren oder in Werkshallen ist nach Aussage vieler Arbeitnehmer nur in den wenigsten Unternehmen tägliche Normalität.

Eine gute Unternehmenskultur zeichne sich dadurch aus, dass sie den Mitarbeitern sowohl Heimat als auch Perspektive bietet. Und sie muss gestaltet werden, denn anders lassen sich unternehmerische Ziele nicht erreichen. Ein respektvolles und vertrauensstiftendes Miteinander ist ein sehr preiswerter Stellhebel für den Unternehmenserfolg. Dabei sind die Fairness, Wertschätzung, und Anerkennung ebenso wichtig wie die Kompensatoren Entlohnung und Karriereperspektive.

Gerade bei der bewussten Kulturarbeit geht es letztendlich um die grundlegenden Fragen: Von welchen Normen und Werten lassen sich die Mitarbeiter und Führungskräfte bei ihrer Arbeit leiten? Werden diese im Alltag gelebt? Von welchen Grundeinstellungen ist die Zusammenarbeit geprägt? Denken die Mitarbeiter eher egoistisch oder im Team? Wie geht das Unternehmen mit schwierigen Situationen um?

Noch immer befassen sich viele Unternehmen ungern mit „soften Faktoren“ oder ignorieren sie, wie im Falle Amazon, ganz bewusst. Zum einen lassen sie sich schwieriger als etwa der Umsatz mit Kennzahlen belegen. Zum anderen werden Kulturfragen gerne als betriebliche Sozialromantik abgetan, bei der man viel Zeit und Geld verschwenden kann.

Bereits die Offenlegung der skandalösen Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter, Skandale um die Steuersparpolitik und die Dauerstreiks für einen Tarifvertrag des Versandhandels haben Amazon in Deutschland einen riesigen Imageschaden beschert. Viele Kunden sind irritiert. Dem Konzern sei genügend Courage empfohlen, Aspekte seiner Unternehmenskultur zu verändern.

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